Lesekreis
von Bert
Es wird schwierig. K. ist aus Lukretz ausgestiegen. Kommt zwar, liest aber nicht mehr mit. 40 Seiten in 2, 3 oder 4 Wochen sind ihr zuviel. Andererseits liest sie brav in einem anderen Lesekreis jede Woche 15 Seiten im „Doktor Faustus“ von Thomas Mann. Da wir mit Lukretz dann doch bald durch sind – I. ist es, die gerade auf Seiten pocht – erste Überlegungen, was danach kommt. In der engeren Auswahl derzeit
- G.W. Seebald: Die Ringe des Saturns (352 Seiten)
- Thomas Mann: Josef und seine Brüder (1.344 Seiten)
- Hermann Broch: Der Tod des Vergils (522 Seiten)
- Virginia Woolf: Orlando (256 Seiten)
Mit Mann und Broch könnte ich mich anfreunden, Woolf kenne ich schon und Seebald interessiert mich nicht die Bohne. Das Problem: Den Mann können sich alle vorstellen, aber K. würde gerne das in „kleinen Happen“ lesen, also so 15 bis max. 20 Seiten von Termin zu Termin (der wegen ihr bei uns selten alle 14 Tage statt findet wie einst vereinbart). Gehe ich selbst von 25 Seiten aus, sind es immer noch 54 Termine – und das ist selbst für einen Thomas Mann in meinen Augen definitiv zu viel.
Vom Gefühl her schaut die Situation nicht gut aus. Denn 50 Seiten wird sie nicht akzeptieren (was ich bei dieser Art von Literatur innerhalb von zwei Wochen gut zu schaffen ansehe) und darunter habe ich echt keine Lust, denn so nett sie sind, aber auf richtige Textarbeit wollen sie sich dann doch nicht einlassen. Mir ist aber meine Zeit zu schade dann für 15 oder 20 Seiten zwei Stunden zu opfern, in denen dann Gemeinplätze ausgetauscht werden und man einfach frei und will assoziiert. Ich mag es einfach nicht, wenn im Text das Wort „Baum“ vorkommt und dann erzählt wird, wie toll es damals in Schweden war, weil da auch Bäume waren. Das hat mit dem Text leider nix zu tun (außer, es ist ein schwedischer Text, der das Gefühl von Bäumen im Urlaub beschreibt).
Ich bin gerade unsicher. Ein Teil von mir sagt: Alles hat seine Zeit. Und alles hat auch seine Zeit gehabt.
Ein anderer Teil sagt: Warum sich nicht bemühne, dass so gut wie möglich durchzusetzen, was ich (!) will. (Man lese hierzu mein nicht veröffentliches Tagebuch zur Therapie).
Ich versteh ja auch das Konzept von Lesekreisen nicht bzw. kann mir nicht vorstellen, dass mir das guttäte. Es gibt Zeiten, da komme ich hinter Büchern gar nicht hervor, und es gibt genauso Perioden, in denen ich außer dem, was zum Job gehört, nichts mit Buchstaben anrühre, weil ich dann mit meinen eigenen Gedanken voll ausgelastet bin. Beides ist dann gut so; aber wenn ich mich auf ein Szenario einlasse, in dem ich verbindlich innerhalb Zeitraum X ein Seitenquantum Y lesen muss, dann kann das doch keinen Spaß mehr machen?!
Meine Erfahrung ist gerade anders. Es macht eine Menge Spaß, auch wenn man sich ggf. durch x Seiten nur so durchgequält hat. Denn jede/r liest anders und da tun sich im Gespräch viele neue Spuren auf. OK, das Buch muss auch was hergeben, aber davon gibt es ja dann doch einige.
Ich glaube, meine Hauptsorge wäre, dabei auf Leute zu treffen, die weniger über die Lektüre sprechen wollen als über ihre eigene Gelehrsamkeit (Kritiker-Syndrom). Hast du da bisher Glück gehabt?
Definitiv. Wir bleiben, mit ein paar menschichen Ausreißern, sehr streng am Text und versuchen uns gemeinsam den zu erklären. Da schmeißt jede/r das in die Mitte, was er / sie meint, was passen würde. Das hat ja mir auch so gut getan.
die freizeit mit „pflichten“ zu gestalten kann dazu führen, dass man unlust empfindet. mir ginge das wohl so. aber ich bin auch kein so intensiver leser.
Na ja, wenn man sich auf einen Lesekreis einlässt sollte man nicht verwundert sein, dass man lesen muss. Finde ich.
recht hast du.
„ch mag es einfach nicht, wenn im Text das Wort „Baum“ vorkommt und dann erzählt wird, wie toll es damals in Schweden war, weil da auch Bäume waren. “ – ich hab mich weggeschmissen vor lachen!!
Na, dann!