Proust (29)
von Bert
Eines Abends möchte Odette mit Swann nicht Catlleya spielen und schickt ihn nach Hause. Stunden später kehrt er zurück, weil er sich vergewissern will, dass sie keinen anderen zu Besuch hat. Er sieht Licht, klopft, nach Zögern, doch an die Fensterläden, diese werden geöffnet – zwei alte Männer stehen im Fenster, Swann hat sich geirrt und fährt, beschämt aber erleichtert, heim. Eines Tages besucht er sie überraschend am Nachmittag. Er meint Schritte hinter der Tür zu hören – niemand öffnet. Als er eine Stunde später wiederkommt ist Odette da und erklärt, sie hätte geschlafen und ihn nicht gehört. Swann ist klar: Odette lügt!
»Doch in dieser seltsamen Phase der Liebe wird das Individuelle derartig bedeutungsvoll, daß die Neugier, die Swann im Hinblick auf die geringfügigsten Beschäftigungen einer Frau in sich erwachen fühlte, genau die gleiche war, die früher geschichtliche Tatsachen in ihm ausgelöst hätten. Und Handlungen, deren er sich bislang geschämt haben würde – spionierend vor einem Fenster stehen und morgen vielleicht, wer weiß, geschickt gleichgültige Menschen zum Reden bringen, die Dienstboten für sich gewinnen, an den Türen horchen –, erschienen ihm nur noch, ebensogut wie das Entziffern von Texten, das Vergleichen von Augenzeugenberichten und die Interpretation von Baudenkmälern, als durchaus ernstzunehmende Methoden wissenschaftlicher Forschung, die für die Findung der Wahrheit geeignet wären.« (1.397)
ich kenne proust ja gar nicht. interessante satzfragmente, ich bin nicht immer sicher, ob die übersetzung auch eine rolle spielt.
Ich kann nur vermuten, dass die Übersetzung ein Glanzleistung ist. Denn die Satzgetüme sind schon richtig gewaltig. Was ich hier zitiere gehört in die Kategorie „kurz bis ultrakurz“.
ich habe das beim idioten von dostojewski das erste mal festgestellt. und ganz im ernst: ich mag die „altertümlichen“ übersetzungen. es macht m. e. keinen sinn, historische geschichten mit moderner sprache zu beschreiben, da geht der charme verloren.
eine wissenschaft für sich. aber da ich kaum fremdsprachen kann … ich merke immer nur, ob die übersetzung ‚rund‘ ist und einen ‚eigenen‘ ton hat. und das hat es bei proust nahezu vollkommen.
ich würde gerne russisch können, eben wegen dostojewski. aber ich glaube kaum, dass es möglich istz, das „alte“ russisch zu lernen.
das geht schon, ist aber ein stück arbeit, denn die russen flektieren und beugen alles was nur irgendwie geht.
ich kenne menschen, die es versucht haben und nicht gut damit zurechtkamen, onbwohl sie andere sprachen schon gut gelernt hatten.
sprache ist nicht gleich sprache. ist kompliziert zu erklären. aber sprachen indogermanischen ursprungs fallen uns ‚leichter‘ als bspw. finnugrische oder slawische.
ich kannte mal jemanden, der behauptete, in kurzer zeit jede sprache zu lernen, das habe ich ihm auch abgenommen, aber soweit zu kommen, dass man damit das feinsinnige eines literarischen textes verstehen könne, braucht eben viel mehr.